Erstellung einer barrierenfreien POUR-Webseite

Den Menschen ins Zentrum des Prozesses stellen

Barrierefreiheit wird immer dann am einfachsten erreicht, wenn der Mensch im Zentrum des Prozesses steht. Das gilt auch für Webdesign.
Barrierefreiheit wird immer dann am einfachsten erreicht, wenn der Mensch im Zentrum des Prozesses steht. Das gilt auch für Webdesign.
  

Original aus dem englischen hier: http://webaim.org/articles/pour/
Original-Titel: Constructing a POUR Website - Putting People at the Center of the Process

Anmerkung des Übersetzers/translators note: Der Wortlaut aus dem englischen Original wurde soweit möglich erhalten. Falls Sie doch Fehler entdecken sollten, wird eine Nachricht an uns erbeten. Sie können diese einfach per eMail schicken. Inzwischen vollständig eingedeutschte Anglizismen wie "Best Practice" wurden 1:1 in den deutschen Text übernommen.

Inhaltsverzeichnis

  1. Diese Seite: Seite 1: Den Menschen ins Zentrum des Prozesses stellen
    1. Motive für die Erstellung von barrierefreien Webinhalten
    2. Perspektive und Bedürfnisse des Benutzers verstehen
    3. Entwicklung über technische Zugänglichkeit hinaus
    4. Konzentration auf die Prinzipien der Barrierefreiheit
  2. Page 2: Wahrnehmbar
  3. Page 3: Bedienbar
  4. Page 4: Verständlich
  5. Page 5: Robust

 

Motive für die Erstellung von barrierefreien Webinhalten

Es gibt mindestens drei Hauptgründe, die Menschen motivieren können, barrierefreie Web-Inhalte zu erstellen:

  1. Das Leben von Menschen mit Behinderungen zu bereichern (menschlich zentrierte Motivationen)
  2. Nutzen aus einem größeren Publikum oder Konsumentenbasis zu beziehen (Marketing- oder Wirtschaftszentrierte Motivationen)
  3. Um Rechtstreitigkeiten oder negative Pressemeldungen zu vermeiden (Öffentlichkeitsarbeits- oder Bestrafungszentrierte Motivationen)

Jeder davon kann ein guter Grund sein. Barrierefreie Webseiten erreichen all dieses Ziele gleichermaßen. Die Motive wurden oben in der Reihenfolge von den altruistischsten zu den weniger altruistischen aufgelistet. Wenn am Ende die Webseiten aber barrierefrei zugänglich sind, ist es vielleicht gar nicht mehr so wichtig, was die ursächlichen Motive des Erstellers waren.

Unabhängig davon, welche Motivationen für einen bestimmten Ersteller wirksam sind, ein Prinzip ist immer wahr: Barrierefreiheit wird immer dann am einfachsten erreicht, wenn der Mensch im Zentrum des Prozesses steht. Selbst diejenigen, die einfach Rechtsstreitigkeiten vermeiden möchten, werden früher oder später erkennen, dass die Bedürfnisse der Zielgruppe - Menschen mit Behinderungen - sorgfältig bedacht und angesprochen werden mussen:

  • Die Perspektive und Bedürfnisse des Benutzers zu verstehen
  • Die Entwicklung über technische Zugänglichkeit hinaus
  • Die Konzentration auf die Prinzipien der Barrierefreiheit
      

Perspektive und Bedürfnisse des Benutzers verstehen

Die Techniken und Richtlinien der Barrierefreiheit wurden nicht erfunden, um das Leben von Webdesignern und Webentwicklern zu verkomplizieren. Sie wurden erfunden, um das Leben von Menschen mit Behinderungen zu vereinfachen. Behinderte Menschen möchten und brauchen die Art von Ressourcen und Informationen aus dem Internet, so wie alle anderen Menschen auch. Viele Dienstleistungen und Waren, die einst nur durch den Besuch von physischen Gebäuden verfügbar waren, sind heute bequem von zu Hause aus erhältlich. Nichts könnte in der Beziehung perfekter sein, um das Leben von Menschen mit Behinderungen zu verbessern.

Das Internet ist keine Barriere für Menschen mit Behinderungen, sondern die Lösung. Das Web hat das Potention das tägliche Leben von millionen Menschen mit Behinderungen zu revoluzionieren, indem es Ihre Fähigkeit steigert, unabhängig Informationen abzurufen, zu kommunizieren, Unterhaltung zu konsumieren, einzukaufen und viele andere Aspekte zu erleben, die die meisten Menschen als selbstverständlich ansehen. Um jedoch das volle Potential des Internets für Menschen mit Behinderungen zu entfalten, müssen sich Webentwickler und Webdesigner dazu verpflichten, Designs immer mit der Barrierefreiheit im Hinterkopf zu erstellen. Wird das verpasst, entsteht das Risiko, dass sich eine revolutionäre Lösung im Leben von Menschen mit Behinderungen, wieder in eine weitere Barriere verwandelt.

Aus diesem Grund wurde Web-Barrierefreiheit erfunden. Das ist die Perspektive, die bei der Erstellung von Websites beachtet werden sollte. Letztenendes sind Menschen mit Behinderungen einfach Menschen. Sie wollen das beste aus ihrem Leben machen. Ein barrierefreies Internet ist zwar kein Wundermittel für jedes Hindernis, dem sich ein behinderter Mensch gegenübersieht, aber es ist ein guter Schritt in die richtige Richtung.
  

Entwicklung über technische Zugänglichkeit hinaus

Techniken und Richtlinien sind wichtig, denn sie repräsentieren einen Versuch zu definieren und zu standartisieren, was Barrierefreiheit bedeutet. Sie repräsentieren einen Konsenz, oder mindestens eine Mehrheitsmeinung darüber, was Best Practices und Methoden zur Erreichung von Barrierefreiheit bedeutet. Die Web Content Accessibility Guidelines WCAG (zu deutsch: Zugänglichkeitsrichtlinien für Internetinhalte) sind die am weitesten anerkannte Sammlung von Empfehlungen und wurden über mehrere Jahre hinweg durch die Zusammenarbeit von einer Gruppe von Experten und interessierten Einzelpersonen entwickelt. Dieser rigorose Prozess (die Erstellung der Richtlinien) ist bewusst langsam und methodisch gehalten, um eine große Spannweite von Perspektiven und Themen miteinzubeziehen. Dennoch würde keiner der daran teilnehmenden Menschen behaupten, der Prozess sei das letzte Wort über Barrierefreiheit, oder dass eine Befolgung aller Richtlinien barrierefreien Web Content sicher garantiere. Die Richtlinien sind eine ausgezeichnete Grundlage, um barrierefreie Webinhalte zu erstellen, aber sofern der Webentwickler nicht die dahinter stehenden Gründe erfasst, wendet er die Richtlinien unter Umständen nicht korrekt oder ineffektiv an.

Zum Beispiel: Eine der bekanntesten Richtlinien ist, im "Alt"-Attribut eines -Befehls alternativen Text für Bilder bereitzustellen. Sofern Webentwickler nur die Richtlinien erlernen, jedoch nicht den Sinn dahinter erkennen, fügen sie unter Umständen alternativen Bildtext ein, der für Benutzer mit Behinderungen überhaupt nicht nützlich ist. Dadurch könnten unter Umständen sogar Barrieren geschaffen, anstatt entfernt werden.

(Weitere Hinweise dazu unter: Effektiver Einsatz von alt Text)

Wenn sich Webentwickler auf technische Spezifikationen fokussieren, mögen sie technische Zugänglichkeit erreichen, aber nicht zwangsläufig auch gut bedienbare Zugänglichkeit. Um ein Beispiel dafür anzuführen: Ein großes Bürogebäude mag technisch für eine blinde Person zugänglich sein. Die Person hat die Möglichkeit durch die Gänge zu gehen, Lifte zu benutzen, Türen zu öffnen, usw. Ohne eine Erklärung jedoch (zum Beispiel einen Gebäudeplan in Blindenschrift) wie das Gebäude aufgebaut ist, wo die Lifte und Türen sich befinden und welche Büros in welchem Stockwerk sind, wird es im Gebäude schwer zu navigieren sein, vor allem am Anfang. Die Person mag versuchen über einen Prozess von Versuch und Irrtum die verschiedenen Orte zu finden, aber das ist ein langsamer und mühsamer Prozess. Das Gebäude ist in diesem Sinne also zugänglich, aber nicht gut benutzbar.

Auf ähnliche Weise können Webentwickler Webseiten erstellen, die zwar für Menschen mit Behinderungen grundsätzlich zugänglich sind, jedoch nur mit größeren Schwierigkeiten. Die technischen Standards dafür sind wichtig, aber sind unter Umständen nicht ausreichend, sofern nicht noch mehr hinzukommt. Webentwickler müssen lernen, wie sie über diese Standards hinaus arbeiten können, wo immer es nötig ist.
  

Konzentration auf die Prinzipien der Barrierefreiheit

Die Version 1.0 der WCAG (Zugänglichkeitsrichtlinien für Internetinhalte) konzentrierte sich hauptsächlich auf die Techniken, um Barrierefreiheit zu erreichen, insbesondere bezogen auf HTML. Die Version 2.0 (zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Textes noch keine offzielle Empfehlung des W3C-Konsortiums) nutzt eine andere Herangehensweise: Sie konzentriert sich mehr auf die Prinzipien der Barrierefreiheit und zeigt einige Techniken in separaten Schriften auf. Durch die verstärkte Konzentration auf Prinzipien, anstatt auf die Techniken, wurde die Version 2.0 flexibler und ermutigt Webentwickler sich konzeptionell in den Prozess einzudenken. Die vier Hauptleitprinzipien für Barrierefreiheit im WCAG 2.0 sind:

  • Wahrnehmbar
  • Bedienbar
  • Verständlich
  • Robust

Im Englischen ergeben die vier Anfangsbuchstaben ein einfach zu merkendes Wort: POUR (von engl.: Perceivable, Operable, Understandable, Robust). Es soll, sozusagen, also eine POUR Website erstellt werden. Der englische Wortwitz dahinter mag unlustig sein, aber wenn er Webentwicklern dabei hilft die Prinzipien auswendig im Kopf zu behalten, dann hat er seinen Sinn erfüllt. Jedes dieser Prinzipien wird tiefer gehend in den folgenden Kapiteln behandelt. Für den Moment ist es genug zu sagen, dass die POUR-Prinzipien dabei helfen, den Menschen in den Mittelpunkt dieses Prozesses zu stellen, was letztenendes der tieferen Grund für all diese Betrachtungen ist.

Hier geht es weiter >

 

Tags: Barrierefreies Webdesign, Barrierefreie Website, Behindertengerechtes Website Design